Steiner Jahr 2025

100. Todestag von Rudolf Steiner
1925 – 2025
Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 in Kraljevec, Kroatien, (damals österreichisches Kaiserreich) geboren. Rudolf Steiner ist am 30. März 1925 im Alter von 64 Jahren in Dornach, Schweiz, gestorben. Das Grab von Rudolf Steiner befindet sich im Park des Goetheanums in Dornach, Schweiz.
Rudolf Steiners Ideen leben weltweit. Bio-Landwirtschaft, Waldorfschulen, Heilpädagogik, sozial-ökologische Banken, nachhaltige Unternehmen, Kunst, integrative Medizin, Naturkosmetik, Eurythmie, die Christengemeinschaft, usw. prägen das Leben von Millionen Menschen.
Es ist absolut notwendig, dass sich die Forderung der Zeit erfüllt, dass sich der Materialismus mit Spiritualität durchdringt, dass die Wirklichkeit einer geistigen Welt ernsthaft klar wird.
Im Gegensatz zur materialistisch eindimensionalen und abstrakt gedachten geistigen Dimension der Welt beschreibt Rudolf Steiner durch seine geistige Schau das Bild einer vielfältig gegliederten, real von Geist durchzogenen und getragenen Wirklichkeit. Darüber hinaus nimmt Steiner unabhängig von der menschlichen geistigen Aktivität, existierende geistige Wesen und eine eigene geistige Welt wahr und ist in der Lage, eine Kosmologie vor uns hinzustellen, die einzigartig ist.
Wir wollen dieses Jahr den vielfältigen Errungenschaften des Dr. Rudolf Steiner widmen, einen Dank aussprechen und gegen den Ungeist der Zeit wirken.
„Die Botschaft Rudolf Steiner„
Mit der Verkündung der Geisteswissenschaft kommt die Menschheit erst in die Lage etwas zukünftig versäumen zu können. Erst seit jener Zeit droht das Versagen der Menschheit:
„Bis jetzt waren die Menschen gar nicht in der Lage, frei, selbständig zu wählen und zu versäumen. Jetzt erst beginnt die Zeit, wo die Seelen etwas versäumen können. Deshalb kommt die Geisteswissenschaft jetzt erst, damit die Menschen jetzt hören, was sie versäumen können, um zu sehen, wie die Menschen sich Schuld aufladen, wenn sie etwas versäumen. Deshalb wird jetzt Geisteswissenschaft verkündet, weil die Menschheit sie jetzt braucht.“
(Lit.: GA 118, Seite 191)
„Wer sich heute umschaut, der ist immer wieder erschüttert darüber, wie die Menschheit überall an Stellen steht, an denen ihr nur noch die Anthroposophie helfen kann. Fast kein Tag vergeht, an dem man dafür nicht neue Beispiele erlebt. Aber die Menschheit weiß nichts von dieser Hilfe oder will nichts von ihr wissen. Daß es so geworden ist, daran ist zum großen Teil schuld der Giftnebel der Verleumdung, der über den Urheber der Anthroposophie aus¬gebreitet worden ist, um ihn nicht nur unsichtbar, sondern ver¬ächtlich zu machen. Die zunehmende Not auf allen Gebieten, trotz glänzender äußerer Entdeckungen, und das Versagen der anderen Hilfen wird die Menschheit schon heranführen an die Anthroposophie.“
(Friedrich Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung mit Rudolf Steiner. Urachhaus, 1980, S. 12 – 13).

Rudolf Steiner in England, August 1922

Die zwei jüngeren Geschwister von Rudolf Steiner: Gustav und Leopoldine (Foto Links)
Der junge Rudolf Steiner, ca 1889 (Foto Rechts)
Steiner hatte zwei jüngere Geschwister: Leopoldine (1863–1927), die als Näherin bis zu deren Tod bei den Eltern wohnte, und Gustav (1866–1941), der gehörlos geboren wurde, zeitlebens auf fremde Hilfe angewiesen war und den Rudolf Steiner bis an sein Lebensende unterstützte.
Nach dem Besuch der Oberrealschule Wiener Neustadt, an der er am 5. Juli 1879 die Matura mit Auszeichnung bestand, konnte Steiner dank eines Stipendiums ab Oktober 1879 an der Technischen Hochschule in Wien studieren. Sein Hauptfach war Mathematik, Nebenfächer waren Chemie, Physik, Geologie, Mineralogie, Biologie, Botanik, Zoologie, Mechanik und Maschinentechnik.

Steiner arbeitet am Menschheitsrepräsentantnen

„Die Menschen der Gegenwart haben es sehr notwendig, Christus mitten hineinzustellen zwischen Ahriman und Luzifer. Christus-Kraft muß uns durchdringen. Aber wir müssen immer als Menschen das Gleichgewicht suchen zwischen demjenigen, was gewissermaßen schwärmerisch-mystisch über uns hinaus will, und dem, was uns materialistisch-verstandesmäßig, philiströs-schwer zur Erde herunterziehen will. In jedem Augenblick müssen wir das Gleichgewicht suchen zwischen demjenigen, wodurch wir luziferisch hinauferhoben werden und demjenigen, wodurch wir ahrimanisch hinunterstreben wollen, aber in dem Suchen dieses Gleichgewichtes liegt der Christus. Und wenn wir uns bestreben, dieses Gleichgewicht zu suchen, dann allein können wir den Christus finden.“ (Lit.: GA 195, S. 40)
„Man muß sich eben klarwerden darüber, daß der Mensch mit seinem Leben einen Gleichgewichtszustand darstellt zwischen einander widerstrebenden Mächten. Jede Vorstellung, die etwa darauf ausgeht, bloß eine Zweiheit vorzustellen, sagen wir ein gutes und böses Prinzip, die wird niemals das Leben durchleuchten können. Das Leben kann man nur durchleuchten, wenn man es im Sinne der Dreiheit darstellt, wo das eine der Gleichgewichtszustand ist und die zwei andern die beiden Pole, nach denen der Gleichgewichtszustand fortwährend hinpendelt. Daher jene Trinität, die wir in dem Menschheitsrepräsentanten und in Ahriman und Luzifer in unserer Gruppe (große Holzstatue in Dornach), die den Mittelpunkt dieses Baues zu bilden hat, darstellen wollen.“ (GA 186, Vortrag vom 7. Dezember 1918)
Krankheit und Tod
„Warum Rudolf Steiner im März 1925 starb, wurde nie aufgeklärt. Klar ist, dass der Begründer der anthroposophischen Bewegung nach sechsmonatigem Krankenlager im Alter von 63 Jahren starb. Über die Ursache seiner Erkrankung wird bis heute gestritten. Chronische Überarbeitung soll Steiner todkrank gemacht haben, sind viele überzeugt.
Auf der anderen Seite wird immer wieder der Verdacht geäussert, Rudolf Steiner sei vergiftet worden – aus den Reihen der Anthroposophen selbst. Das Attentat soll beim geselligen «Rout» zum Abschluss der Weihnachtstagung am 1. Januar 1924 im grossen Saal der Schreinerei am Goetheanum-Gelände in Dornach verübt worden sein.
Marie Steiner selbst hielt diesen Sachverhalt fast zeitlebens geheim, in ihrem Nachwort zu “Mein Lebensgang“ von Rudolf Steiner deutete sie den wahren Sachverhalt an: „…Sie wüteten mit Gift und Flamme, frohlocken jetzt, besudeln sein Gedächtnis.-…„ – auch einer engen Schülerin gegenüber, offenbarte sie sich hinsichtlich des Giftanschlags: “Ich war vom Schrecken wie gelähmt. Er fragte uns sofort, ob wir etwas getrunken hätten, und als ich verneinte und er bemerkte, dass Dr. Wachsmuth nichts widerfahren war, atmete er erleichtert auf: ‚Also nur ich, das ist gut’ hauchte er und trat wankend in das Zimmer hinein. Dr. Wachsmuth wollte sofort eilen und einen Arzt rufen, aber Dr. Steiner verbot es ihm mit allem Nachdruck. Dr. Wachsmuth entfernte sich mit dem Versprechen, dass kein Mensch davon erfahren dürfte, dass kein Arzt gerufen werden durfte. Der Doktor ließ sich dann alle Milch geben, die im Raume vorhanden war, und unternahm damit selber eine Magenspülung, während andere Milch aus der Villa Hansi geholt wurde. Alle vorhandene Milch wurde herbeigeschafft, und den ganzen Abend und die ganze Nacht setzte er diese Spülung fort …Er war seitdem dem Tode geweiht. Nur seine übermenschliche, ganz im Geiste verwurzelte Kraft erlaubte seinem Leib, noch 15 Monate zu leben. Er schonte sich nicht, wissend, dass der Tod an der Tür stand, bis er – zu Michaeli – ganz zusammenbrach …Ja, nach seinem Tode hätte ich die Pflicht gehabt, das der Gesellschaft zu sagen, aber schon die Andeutung, die ich später am Ende des ‚Lebensganges’ darüber machte, stieß auf Widerstand seitens des Vorstandes … Man wollte nicht darüber die Wahrheit erfahren … Dieser Vorgang war gefürchtet wie sein Testament. So musste ich darüber schweigen.“ (Lidia Gentilli Baratto: Eine Erinnerung an Marie Steiner, Selbstverlag 1947, S. 20 – 21).
Im Nachwort zum Buch «Ein Leben für den Geist» von Ehrenfried Pfeiffer (Perseus Verlag) ist sogar die Rede vom bekennenden Attentäter: «Dieser sagte: (. . .) Ich war beauftragt, Rudolf Steiner zu vergiften. Diese Vergiftung sollte aber keine tödlichen Folgen haben, sondern Rudolf Steiner in einen Zustand bringen, in welchem er seine hohen okkulten Fähigkeiten nicht mehr souverän würde handhaben können. (. . .) Man hätte dann auf Rudolf Steiner zeigen können, um zu sagen: Wenn ihr eine okkulte Schulung in seinem Sinne anstrebt, (. . .) dann kommt ihr in solche Zustände.» Ehrenfried Pfeiffer soll sich nicht darüber geäussert haben, ob er die Verbindung mit diesem «Wissenden des mechanischen (anglo-amerikanischen) Okkultismus» weiterführte.
Rudolf Steiners sterbliche Überreste wurden, angeblich gegen seinen Willen, kremiert. Vor 10 Jahren entfernte man überdies unter Ausschluss der Öffentlichkeit seine Asche aus dem Goetheanum. Sie ist im Urnenhain vor dem Goetheanum begraben.“
Aargauer Zeitung (hpr); Marie Steiner, Nachwort in GA 28; Lidia Gentilli Baratto: Eine Erinnerung an Marie Steiner, Selbstverlag 1947, S. 20 – 21; Ilona Schubert: Selbsterlebtes im Zusammensein mit Rudolf Steiner und Marie Steiner, Basel 1970; Hermann Keimeiyer: Wie findet man die Meister in höheren Welten? DCS Überlingen2003/2004, Bd. II

Totenmaske und Aufbahrung in der Schreinerei
In den letzten Lebenstagen hatte Rudolf Steiner ein vertrauliches Gespräch mit seiner Mitstreiterin Adelheid Petersen: „Wenn ich einmal nicht mehr da bin, wird eine Verintellektualisierung der anthroposophischen Geisteswissenschaft kommen. Das ist eine große Gefahr, denn das bedeutet die Stagnation der ganzen Bewegung. Deshalb ist die richtige Pflege der internen esoterischen Arbeit so wichtig.
Die Leute wissen es nicht und wollen es im Grunde auch gar nicht gerne hören…
Wenn ein Mensch still in seinem Kämmerlein sitzt und mit dem wirklichen inneren Erns, mit ganzer Hingabe seines Herzens zum Beispiel das Johannesevangelium oder etwas Anthroposophisches liest und es ganz durchlebt, so tut er damit mehr für das Heil der Welt und der Menschen als manche, die sich in anthroposophischer Gschaftelhuberei vor sich und anderen wichtigmachen….aber dazu muss man um die Realität der höheren Wesen wissen.“
(Adelheid Petersen, 1979, Erinnerungen an Rudolf Steiner, in Weltenwandler Band 2 von Michael Birnthaler, 2018)
Rudolf Steiners Tod und seine Folgen wirken bis heute nach. Aus der zeitlichen Distanz von hundert Jahren lässt sich das Ausmaß der Katastrophe, die der Tod Rudolf Steiners für die Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung darstellte, für viele nachvollziehen. Wer den Verlust eines geliebten Menschen und die sich dadurch eröffnenden Abgründe erlebt hat, kann sich vorstellen, wie sich die Zurückgebliebenen gefühlt haben müssen. Aber Steiner war nicht nur ein von vielen geliebter Mensch, er war auch eine Offenbarungsquelle, ein Träger der Tröstung, ein leuchtendes Vorbild, ein spiritueller Ratgeber, ein Heros und Heiland. Am poetischsten brachte diese Seelenstimmung wohl der 1914 verstorbene Dichter Christian Morgenstern zum Ausdruck, der auf Rudolf Steiner folgende lyrische Hommage verfasste:
»So wie ein Mensch, am trüben Tag, der Sonne vergisst, –
sie aber strahlt und leuchtet unaufhörlich,–
so mag man Dein an trübem Tag vergessen,
um wiederum und immer wiederum
erschüttert, ja geblendet zu empfinden,
wie unerschöpflich fort und fort und fort
Dein Sonnengeist
uns dunklen Wandrern strahlt.«


Aus der ganzen Welt strömten die Menschen zum Dornacher Hügel um ein letztes Mal das Gesicht ihres Lehrers zu erblicken und um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Sein Hingang hinterlässt eine unvorstellbar große Lücke.

Steiners Grabmal am Park des Goetheanums in Dornach/CH

Erstes Goetheanum
Der Rauch an der Brandruine des Goetheanum war kaum verflogen, da sagte Rudolf Steiner: «Und ich hoffe natürlich, dass in keiner Richtung hier irgendeine Unterbrechung eintritt.» So wurde der Brand zu einer Zäsur in der Entwicklung der Anthroposophie und nicht zu einem Hindernis. (Peter Selg, 7.1.23 in der Zeitschrift „Goetheanum)

Nach der Brandnacht: Rudolf Steiner vor den Ruinen

In der Silvesternacht 1922/1923 brannte das erste Goetheanum durch Brandstiftung ab.
Seit dem Brand hatte sich aber auch bei Rudolf Steiner selbst einiges verändert. „ Das jugendlich heitere Lachen, das die ernsten Gesichtszüge Dr. Steiners früher oft erhellte, seine raschen, leichten Bewegungen, seinen rhythmischen Gang – niemand konnte so gehen wie er – , das alles erlebten wir seit der Brandnacht nicht mehr. Eine schwere Last lag auf seinen Schultern. Er musste Kraft aufbringen, seine aufrechte Haltung zu bewahren, und der Gang war mit Anstrengung verbunden. Doch steigerten sich sein Wirken und seine Geisteskraft in letzter Lebenszeit ins Übermenschliche.“
(Assja Turgeniew, Erinnerungen an Rudolf Steiner und die Arbeit am ersten Goetheanum, Verlag Freies Geistleben, 1972, in Weltenwandler 2, Michael Birnthaler, 2018)
